Worüber Sie in diesem Artikel lesen:
- Moringa-Anbau – ein Beitrag zu besseren Lebensbedingungen in Teso, Uganda
- Moringa – der Baum und seine Geschichte
- Moringa – eine Nährstoffquelle gegen Mangelernährung
- Moringa – Wirkstoffprofil in Phytotherapie und Landwirtschaft
- Das Projekt – die Idee und die Partner in Teso
- Projektphase 1 – das erste Jahr
- Projektphase 2 – die nächsten Vorhaben und langfristigen Ziele
- Warum fördert die LL-Stiftung das Projekt MORINGA?
Moringa-Anbau – ein Beitrag zu besseren Lebensbedingungen in Teso, Uganda
Die Bevölkerung Ugandas ist eine der am schnellsten wachsenden weltweit und lebt zu 80% im ländlichen Raum. In der Region Teso im Nordosten Ugandas leben derzeit ca. 2,1 Mio. Menschen, die jahrzehntelang unter bewaffneten Konflikten zwischen ethnischen Gruppen zu leiden hatten. Die Bevölkerung lebt vorwiegend von Ackerbau, der in diesem semi-ariden Klima weitgehend ohne effiziente Bewässerungssysteme auskommen muss. Heute ist Teso mit einer Armutsrate von 66% eine der ärmsten Regionen Ugandas, die Bevölkerung leidet unter Mangelernährung und hoher Kindersterblichkeit.
Der Klimawandel bedeutet eine zunehmende Gefahr für diese fragile, von regelmäßigen Regenfällen abhängige und gleichzeitig von Erosion bedrohte Agrarlandschaft. Dies bestä- tigten die verheerenden Flutkatastrophen 2007 und 2011 in Teso.
Auch Dürreperioden und Schädlingsbefall werden den Agrarertrag und somit die Existenz- grundlage immer mehr bedrohen und die Ernährungssituation weiter zuspitzen. Unsere Projektstandorte befinden sich in Tesos Distrikten Soroti und Katakwi und damit auch in dieser Hinsicht in einem Brennpunkt.
Moringa – der Baum und seine Geschichte
Die Kultur und Nutzung des Moringabaums reicht weit in die frühgeschichtliche Zeit zurück und nahm ihren Anfang in Nordindien am Fuße des Himalaya, wo er noch heute zu Heil- zwecken im Rahmen der ayurvedischen Lehre genutzt wird. Von Indien breitete sich der Moringabaum in vorchristlicher Zeit nach Ägypten sowie bis nach China und den Philippinen aus. Im frühen 20. Jhdt. gelangte er dann nach Ostafrika und Mittelamerika. Bald erstreckte sich seine Kultur auf fast alle tropischen und subtropischen Regionen.
Moringa oleifera ist raschwüchsig, erreicht eine Höhe von 7-12m und wird wegen des Geschmacks seiner Wurzeln auch Meerrettichbaum genannt. Er bildet bis zu 60cm lange Schoten mit erbsenartigen Samen aus. Der Baum stellt kaum Ansprüche an den Boden, braucht wenig Dünger, ist sehr trockenresistent und leicht zu vermehren, seine Kultur ist also kostengünstig. Seine Blätter lassen sich in Trockenzeiten ernten und stehen so als Blattgemüse zur Verfügung, wenn Alternativen fehlen.
In Uganda war das Wissen um die Vorzüge des in fast allen Teilen essbaren Baumes bis vor kurzem kaum vorhanden. Er wurde als Schatten- oder Heckengehölz im Garten gehalten. Das Wissen in der Bevölkerung um die ethnomedizinische Anwendung von Moringa be- schränkt sich allenfalls auf wenige Indikationen wie HIV/AIDS, Bluthochdruck, oder Wurm- befall. Der ernährungsphysiologische Nutzen ist weithin unbekannt und liegt brach – ganz im Gegensatz zum derzeitigen Moringa-Hype in Europa und Nordamerika.
Moringa – eine Nährstoffquelle gegen Mangelernährung
In Blättern/Blattpulver, Blüten, Schoten und Samen/Öl von Moringa oleifera befindet sich eine in der Pflanzenwelt einzigartige Kombination von Makro- und Mikronährstoffen, und zwar sowohl in Quantität, als auch Qualität und Bioverfügbarkeit. Der daraus zu erzielende ernährungsphysiologische Nutzen ist abhängig von der Zielgruppe:
Für viele mangelernährte Menschen in Teso und anderen Moringa-Anbauländern stehen folgende Aspekte im Fokus, dies gilt besonders für frühkindliche Ernährungsdefizite:
- Hoher Proteingehalt, ideales Aminosäurenprofil mit allen essenziellen Aminosäuren
200g frische gekochte Blätter decken den Tagesbedarf eines Kleinkindes an Protein - Hoher Gehalt an Calcium und den Spurenelementen Eisen, Magnesium, Zink
10g Blattpulver deckt den Tagesbedarf eines Kleinkindes an Calcium zu 30% - Hoher Gehalt an den Vitaminen β–Carotin/Vitamin A, Vitamin C
100g frische Blätter decken den Tagesbedarf eines Kleinkindes an Vitamin A
Für gesundheitsbewusste Konsumenten in den Industrieländern, wo Moringa als ein Super- food gilt, für Sportler und Veganer ist neben der biologischen Proteinwertigkeit und dem Ballaststoffgehalt zudem der Reichtum an folgenden Vitalstoffen interessant:
- Essenzielle Spurenelemente: Chrom, Kupfer, Selen, Mangan, Bor
- Ergänzung veganer Ernährung: Calcium, Eisen, Aminosäuren Lysin, Cystein
Für alle Menschen gleichermaßen gewinnbringend ist der hohe Gehalt an:
- sekundären Pflanzenstoffen: Polyphenole, Salvestrole, Saponine, Senfölglykoside
- wertvollen ungesättigten Fettsäuren (auch in Blättern): α–Linolensäure (Omega3-FS)
- weiteren Mikronährstoffen: Kalium, Vitamine B1, B2, B3, E, Tocotrienol, Folsäure
Moringa – sein Wirkstoffprofil in Phytotherapie und Landwirtschaft
Neben der jahrtausendealten empirischen Verwendung in einigen Teilen der Erde ermög- lichen in den letzten Jahren viele neue Studien einen Einblick in das therapeutische Potential dieser Pflanze in Human- und Veterinärmedizin. Am besten belegt ist die Anwendung von frischen Blättern, getrocknetem Blattpulver und Öl.
Moringa oleifera wirkt durch die in hoher Konzentration enthaltenen Wirkstoffe vor allem:
- blutdrucksenkend, den Fettstoffwechsel optimierend: Niazinin A/B, Phytosterine, Tocotrienol, Kalium, Magnesium, Niacin (Vit. B3), Folsäure
- immunstimulierend, begleitend bei antiviraler HIV-Therapie: Chlorophyll, Zink, Selen, Vitamine A, C, E, B1, B2, Niacin, Folsäure, Lysin, Arginin, Glutamin, α–Linolensäure
- als potentes Antioxidans: Polyphenole, Vitamine A, B2, C, E, Lutein, Zeaxanthin u.a.
- entzündungshemmend: Phenylglykoside, Selen, Kupfer, Zink, Vitamine A, E, B1
- antidiabetisch: Chrom, Zink, Thiamin, Niacin, Pyridoxin (Vit. B6)
Über den medizinischen Bereich hinaus sind folgende Nutzungen erfolgreich beschrieben:
- Pflanzenbau: Organischer Dünger (Blätter, Samen), Pflanzenschutz (Blätter)
- Tierhaltung: hochwertige Futterbeimengung (Blätter, Samen), gesündere Tiere
- Wasserreinhaltung: Klärung und Entkeimung (Samen, Pressabfälle)
Das Projekt – die Idee und die Partner in Teso
Die Idee, diesem Projekt in Uganda mit unserer Förderung zum Start zu verhelfen, wurde von unserem langjährigen Stuttgarter Partner Fairventures Worldwide gGmbH an uns herangetragen. Eine deutsche, in Uganda lebende GIZ-Mitarbeiterin hat es in Eigeninitiative zusammen mit der in Katakwi ansässigen Nichtregierungsorganisation TECOMA (Teso Enterprise Consulting and Marketing Association) angestoßen und vorbereitet. Das Mitte 2014 gestartete Projekt wird gemeinsam mit TECOMA durchgeführt. Die zu Projektbeginn von privater Seite für TECOMA zur Verfügung gestellte Anbaufläche (1,2ha) für Moringa befindet sich nahe der Stadt Soroti.
Ziel ist es, den Anbau des Moringabaums in Teso zu etablieren und der Bevölkerung sein Nutzungspotential durch Schulungsprogramme zu erschließen. Zudem gilt es, die Moringa-Wertschöpfunkgskette weiterzuentwickeln und dabei die besonders bedürftige Bevölkerung aktiv einzubeziehen, um damit zu einer Verbesserung ihrer Ernährungs- und ihrer Lebens- grundlagen allgemein beizutragen. Langfristig ist bei erfolgreichem Verlauf die Ausweitung des Projektes auf die benachbarte Region Karamoja eine Option.
Projektphase 1 – das erste Jahr
Zu Projektbeginn Mitte 2014 wurden von TECOMA aus besonders bedürftigen gesellschaft- lichen Gruppen Frauen und Jugendliche, die nahe der Anbaufläche leben, ausgewählt und gruppenweise in landwirtschaftlichen Trainings theoretisch und praktisch geschult. Diese umfassen u.a. Aussaat, Anzucht und Pflege der Moringapflanzen, die fachgerechte Ernte und Trocknung der Blätter, und die Weiterverarbeitung zu Blattpulver. Mit dem Bau einer speziellen Trockenhütte und der Anschaffung einer elektrischen Mühle zur Pulvergewinn- ung schufen die Projektteilnehmer die Voraussetzung für die Weiterverarbeitung. Da hier, wie schon bei der Ernte, die Einhaltung der Hygienestandards besonders wichtig ist, fanden Schulungen durch das Ugandan Bureau of Standards statt und es wurden Hygieneanzüge angeschafft. Schon dem ersten selbst produzierten Blattpulver attestierte eine Laboranalyse bzgl. Inhaltsstoffen eine gute Qualität, die eine Vermarktung möglich machen würde.
Im ersten Projektjahr wurden bereits 67 Personen von TECOMA ausgebildet und 27 davon zu Trainern geschult. Die Trainees erhielten Saatgut zur privaten Verwendung, um auch auf diesem Weg Kenntnisse über die Moringanutzung zu verbreiten. Darüber hinaus starteten die Projekttrainer in Health Centers Informationskampagnen für Schwangere, Stillende und Kranke zur Ernährungsoptimierung mit Moringa. Zudem erhielten dort unter Aufsicht von Gesundheitsassistenten die ersten mangelernährten Kinder das projekteigene Blattpulver als Nahrungssupplementierung, die Ergebnisse werden dokumentiert. Im weiteren Projekt- verlauf wurden TECOMA zusätzliche Anbauflächen in Katakwi zur Verfügung gestellt, so dass das Projektvolumen ausgeweitet werden konnte.
Projektphase 2 – die nächsten Vorhaben und langfristigen Ziele
Neben den Arbeiten auf den Moringafeldern, der angestrebten Steigerung des Ertrages und den Ausbildungsprogrammen haben die Vorbereitungen für eine Vermarktung des Blatt- pulvers einen hohen Stellenwert. Sie umfassen Qualitätsoptimierung, internationale Labor- analysen bzgl. Nähr- und Schadstoffen, Auswahl einer geeigneten Verpackung und den Auf- bau von Marktbeziehungen mit Identifizierung potentieller Abnehmer im In- und Ausland. In diesen Fragen wird Fairventures Worldwide TECOMA unterstützen.
Daneben bilden Informations- und Sensibilisierungskampagnen eine weitere Säule der Projektarbeit. In Schulen und Health Centers werden Demonstrationsgärten angelegt, die die ernährungsphysiologischen Vorteile von Moringa aufzeigen und die von den Zielgruppen langfristig genutzt werden können. Weitere solche Gärten an anderen Standorten sollen über Partnerschaften realisiert werden. TECOMA-Mitglieder der Distrikte führen gemeinsam mit Health Center Mitarbeitern und mit bereits selbst ausgebildeten Multiplikatoren (z.B. Mitglieder der Dorfgesundheitsteams) Informations-Veranstaltungen durch und verteilen Saatgut an Teilnehmer, um eine räumliche Expansion von Moringakompetenz zu fördern. Neben dem unmittelbaren gesundheitlichen Benefit soll so auch die Nachfrage nach regional produziertem Moringa dauerhaft gefördert werden. Dies dürfte mittelfristig die Absatzchancen für Projektmoringa am einheimischen Markt und damit das Projektein- kommen stabilisieren.
Der ugandische und der internationale Markt sollen in der Folge unter Sicherstellung fairer Löhne und Handelsbeziehungen ebenfalls angesprochen werden. Gewinne wird TECOMA komplett projektbezogen reinvestieren sowie die Teilnehmer am Erfolg partizipieren lassen, um die Lebensqualität im Projektumfeld nachhaltig zu verbessern.
Warum fördert die LL-Stiftung das Projekt MORINGA?
„Schauen wir uns die Verbreitungskarte des weltweiten Moringa-Vorkommens an und blicken dann auf die Karte, die Mangelernährung und Hunger abbildet, so wird schnell klar: Moringa steht genau dort zur Verfügung, wo es am dringendsten benötigt wird. Diese Chance wollen wir nutzen, um in Uganda den Schritt zu mehr Autonomie in der Sicher- stellung einer zufriedenstellenden Ernährungssituation für die Bevölkerung zu ermög- lichen.“
Ingrid Leitz
Projektpatin MORINGA
Weitere Projektinformationen unter fairventures.org
sowie unter Tecomauganda.org
Stand: Juli 2015